Irina Georgieva – und ihr Weg zu der Künstlerin, die sie heute ist
Geboren wird Irina Georgieva 1978 in Sofia. In der Hauptstadt Bulgariens nimmt auch ihr Weg als Pianistin seinen Anfang: Mit sechs Jahren gibt sie ihr erstes öffentliches Konzert. Zwei Jahre später steht sie für ihr erstes Solokonzert auf der Bühne und gewinnt ihren ersten internationalen Preis. Ein weiteres Jahr darauf spielte sie als Solistin mit Orchester Beethovens 1. Klavierkonzert.
1997 wird Irina Georgieva zum Sofioter Konservatorium zugelassen. Dort arbeitet sie zum ersten Mal mit Prof. Marina Kapazinskaya zusammen, die sie Jahre später auch in ihrem Masterstudium begleiten wird. Schon während ihrer Studienzeit tritt Irina Georgieva als Solopianistin bei allen wichtigen Orchestern in Bulgarien auf. Zudem arbeitet sie unbeirrt an ihrer künstlerischen Weiterentwicklung und nimmt an zahlreichen Meisterkursen teil, unter anderem bei Klavier-Koryphäen wie Lazar Berman und Dmitry Baschkirow.
2001 verlässt sie Bulgarien. Ein Stipendium der «Gerber-ten Bosch»-Stiftung führt sie an die Musikakademie Basel und in die Meisterklasse von Rudolf Buchbinder. Rückblickend ist die Zeit mit Buchbinder der wohl wichtigste Schritt in Irina Georgievas Karriere. Denn sie schliesst ihr Konzert- und Solistendiplom nicht nur mit Auszeichnung ab. Darüber hinaus entwickelt sie sich in Basel entscheidend weiter und wird nach und nach die Künstlerin, die sie heute ist.
Von Basel auf die Bühnen dieser Welt
Irina Georgieva ist Preisträgerin internationaler Wettbewerbe und konzertiert regelmässig in der Schweiz, Deutschland und Italien, in Südamerika und den Balkanstaaten. Zudem haben sie ihre Konzerte nach England, Marokko, Frankreich und Asien geführt.
Ihre wichtigsten Stationen sind die Konzerte in der Wigmore Hall London (2010), beim Musikverein Wien (2015) und in der Tonhalle Zürich (2015). Im April 2019 gab Irina Georgieva ihr Debüt im KKL Luzern mit dem Sinfonieorchester Basel. Ein weiteres Debüt musste aufgrund der Corona-Pandemie bisher verschoben werden: ihr Konzert mit dem World Civic Orchestra in New York, in dem sie Béla Bartóks Klavierkonzert Nr. 2 spielen sollte. Allerdings wird dieses Ereignis nachgeholt, sobald es wieder möglich ist.
Ihr Repertoire: vom Barock bis in die Gegenwart
Stefan Lano, Michal Nesterowicz, Pablo Gonzàlez oder Sascha Goetzel – die Reihe der Dirigenten, mit denen Irina Georgieva zusammengearbeitet hat, ist eindrücklich. Genauso beeindruckend ist ihr Repertoire, das klassische Musik von Barock bis Gegenwart umfasst. Sie liebt die virtuose Klaviermusik des ausgehenden 19. sowie des 20. Jahrhunderts, die von einer expressiven Tonsprache, besonderen Stimmungen und differenzierten Klangfarben geprägt wird.
Wettbewerbe & Auszeichnungen:
Mein Klavier und ich
Eine fast unmögliche Liebe
Ich war gerade fünf, als ich meine Liebe zum Klavier entdeckte. Meine Mutter ging damals gern in die Oper und auf Konzerte. Eines Tages beschloss sie, dass ich alt genug war, um sie zu begleiten. Ich stimmte begeistert zu, und wenige Stunden später sass ich in einem Konzertsaal. Den Moment, in dem der Pianist die ersten Tasten anschlug, werde ich niemals vergessen. Denn das war der Moment, in dem ich wusste, was ich werden will: Pianistin.
Allerdings war dieser Wunsch so gut wie unerreichbar. In den 1980er Jahren gab es nicht viele Klaviere in Bulgarien. Und die wenigen, die es gab, waren unheimlich teuer. Die Lage erschien mir aussichtslos. Obwohl ich nicht aufhören konnte, von einer Zukunft als Pianistin zu träumen, habe ich deshalb niemandem davon erzählt – bis zu jener Nacht:
Wieder einmal liessen mich meine Gedanken ans Klavierspielen nicht schlafen. Anders als die Wochen und Monate zuvor wurde mir in dieser Nacht jedoch schlagartig klar, dass es nicht so weitergehen konnte. Deshalb nahm ich all meinen Mut zusammen, weckte meine Mutter und erzählte ihr von meinem sehnlichsten Wunsch.
Wenn ich mich an mein Zuhause in Sofia erinnere, habe ich immer den Klang von Frauenstimmen im Ohr: beide Grossmütter, meine Mutter, meine Schwester, ich – wir alle haben immer gesungen. Meine Schwester sogar im Radio-Chor, was in der damaligen Zeit eine unglaubliche Ehre wahr. Trotzdem waren wir keine Musikerfamilie. Das einzige Instrument, das es bei uns gab, war die Geige meines Grossvaters. Vielleicht betrachteten meine Eltern meinen nächtlichen Überfall gerade deshalb als etwas Besonderes. Sie schienen zu ahnen, wie unglaublich wichtig es für mich war, Klavierspielen zu lernen. Deshalb versuchten sie das scheinbar Unmögliche: Sie setzten alles daran, mir ein Klavier zu beschaffen, sogar eines der deutschen Marke «Zimmermann».
Schlussendlich war es mein Grossvater, der eine Woche lang in der Schlange vor einem Musikgeschäft stand, in dem es eigentlich nur russische Klaviere zu kaufen hab. Dennoch kam er am Ende dieser Woche mit einem «Zimmermann» nach Hause. Natürlich hat meine Familie viel zu viel dafür bezahlt. Mir hat sie jedoch meinen grössten Wunsch erfüllt, wofür ich noch heute unendlich dankbar bin.
Als ich im Jahr 2001 dank eines Stipendiums der Gerber-ten Bosch Stiftung in die Schweiz kam, um mit dem bekannten Konzertpianisten Rudolf Buchbinder zusammenzuarbeiten, blieb mein kostbares Klavier in Sofia. Dort steht es bis heute. Mein Zuhause ist jetzt Basel. Dank meines «Zimmermanns» weiss ich aber, dass Musik, die aus Liebe entsteht, die Macht hat, jegliche Grenzen zu überwinden.